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20. Januar 2021

Wem schulden wir unser Potenzial?

„Danke für die Chance, Chef, aber ich bin noch nicht so weit. Außerdem fehlt mir die Zeit, um mich dieser Fortbildung wirklich intensiv zu widmen. Ich bin ganz zufrieden da, wo ich bin. Außerdem arbeite ich gerne den anderen zu und denke, meine Zuverlässigkeit ist wichtig für das Team. Genies, vor allem solche, die sich selbst dafür halten, haben wir schon genug.“

Kennen auch Sie einen klugen Kopf, der sein Abitur mit einem Durchschnitt von 1,4 oder besser gemacht hat und nach dem BWL-Studium als Projektmitarbeiter vor sich hin werkelt, obwohl ihm weitaus bessere Möglichkeiten offenstehen? Wirklich zufrieden ist er nicht, doch statt sich eine neue Herausforderung zu suchen, gibt er sich – ungeachtet seines großen Arbeitseifers und seines Fleißes – einer uns unverständlichen Bequemlichkeit hin, was seine weitere Entwicklung betrifft.

Wie sollen wir als engagierte Manager mit solchen Mitarbeitern umgehen, die zwar beständig einen guten Job machen, aber wenig oder überhaupt keine Neigung zeigen, alles aus sich herauszuholen? Scheinbar sind sie zufrieden mit dem, was sie zu tun und zu sagen haben, was sie besitzen und was sie bedeuten. Vorwerfen kann man ihnen das natürlich nicht. Ihre Arbeitsergebnisse sind gut bis sehr gut, und sie sind verlässlich, angenehm im persönlichen Umgang und konstruktiv in der Zusammenarbeit.

Im Fußball werden Spieler dieser Art als „Wasserträger“ bezeichnet. Sie sind keine Genies am Ball und weisen wenig Potenzial zum Spielmacher auf, liefern auf dem Platz jedoch immer 100 Prozent ab, was ihre Kampf- und Leistungsbereitschaft angeht.

Sollen wir bei solchen Mitarbeitern, Kollegen und auch Vorgesetzten einfach froh sein, dass wir sie haben, und sie ansonsten in Ruhe lassen?

Schließlich sind wir dankbar, dass manche die Fleißjobs in einer Welt übernehmen, in der zu viele Menschen herumlaufen, die große Strategen mit einem Ruf wie Donnerhall sein wollen.

Potenzial als Pflicht

Für mich kommt es entscheidend darauf an, was noch in dem Menschen steckt, der uns als reiner Wasserträger lieb und teuer sein könnte. Besitzt er tatsächlich nicht das Talent zum Spielmacher, sind wir dankbar, dass es ihn gibt. Ist er jedoch ein Chancenverweigerer, müssen wir uns fragen, ob er es uns nicht schuldig ist, sein verborgenes Talent für das Unternehmen einzubringen, oder ob das nicht der Fall ist.

Für mich persönlich ist die Potenzialentfaltung eine Art existenzielle Pflicht, und das meine ich nicht ausschließlich in Bezug auf das berufliche Umfeld.

Leben heißt immer auch Wachstum, und wer nicht mehr wächst, lebt nur noch vor sich hin.

Dass viele Menschen das anders sehen, will ich ihnen nicht verdenken. Nichtsdestotrotz wünsche ich mir ein neues Selbstverständnis im Hinblick auf das Potenzial, das viele von uns einfach brachliegen lassen.

Gut, es gibt Menschen, die gar nicht wissen, was in ihnen steckt, und andere, denen der Mut fehlt, nach vorne zu gehen, die also nicht an sich glauben. Und wieder andere, die ihr Limit erreicht haben. Die ersten beiden wollen wir unterstützen und für letztere dankbar sein, wenn sie ihr ganzes Potenzial abrufen.

Jene aber, die es sich als Raupe in ihrem Kokon gemütlich gemacht haben, weil sie nicht fliegen wollen, sollten wir uns mit den besten Absichten zur Brust nehmen. Denn in letzter Konsequenz schulden wir unserer Organisation nicht nur das, was wir heute können, sondern auch das, was uns morgen möglich sein mag.

Es gibt keine zwei Leben

Dass ich dies für allgemein gültig halte, ergibt sich für mich aus dem Leben, das wir nur theoretisch in einen beruflichen und einen privaten Bereich aufteilen können. Nur indem wir unser Potenzial entfalten, stoßen wir einen Entwicklungsprozess an, der zu Zufriedenheit und innerem Frieden führt! Diese stellen sich durch Bequemlichkeit nicht ein, denn: Je passiver wir sind, desto unfreier werden wir.

Wenn wir mehr Zeit mit dem Streamen von Serien verbringen, als unter Menschen zu sein, die uns Freude und Ansporn sind, rasen die Welt und das Leben an uns vorbei. Wenn wir im Unternehmen nur das Nötige tun, um mit dem Strom zu schwimmen, hängt die Entwicklung uns ab. Wir werden gelebt und zum Spielball der Umstände, statt zu leben und die Umstände zu machen. Schließlich heißt es Unternehmen, weil wir alle darin etwas unternehmen.

Das bessere Selbst liegt jenseits des Komforts

Es ist unglaublich wichtig, etwas aus seinem Leben und damit auch aus seiner Arbeit zu machen. Das sage ich nicht, um eine Leistungskultur innerhalb einer Beyond-Ego-Kultur zu rechtfertigen.

Bildquelle: AdobeStock fotomek


Meines Erachtens ist es unsere Aufgabe, zu einer besseren Version unserer selbst zu werden, unser Ego zu überwinden, unsere Komfortzone zu verlassen, um so einen Beitrag zu leisten, der nicht nur der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse und Emotionen dient.

Dazu fordern uns im Übrigen auch Lebens- und Sinnkrisen auf, die an uns appellieren: Mensch, überwinde dich! Go beyond Ego!

Das gilt für Menschen und Unternehmen gleichermaßen. Auch im Unternehmenskontext dürfen wir es uns nicht zu leicht machen und uns auf unserem Erfolg ausruhen, sondern müssen uns dem Discomfort aussetzen, damit der Laden läuft und wächst. Auch hier ist der geringste Anspruch, „mit der Zeit zu gehen“. Vielmehr sollten wir die Führung übernehmen in Bezug auf die eigene Persönlichkeit, die Menschen im Unternehmen, die Kunden und die Märkte.

Die Tatkraft ist ein Muskel der Zufriedenheit

Wollen wir reife Mitarbeiter haben, müssen wir uns unseren und ihren Herausforderungen stellen. Wer bereits gut ist, aber mehr kann, als er geben will, enthält seiner Organisation einen Teil seiner Leistungsfähigkeit vor. Und Organisation heißt immer auch Menschen, die ihn brauchen, um gemeinsam erfolgreich zu sein. Deshalb dürfen und müssen wir diese Menschen aus dem Heck des Bootes und mit Nachdruck mit ans Ruder holen.

Die Tatkraft, mit der wir die Realität gestalten, statt von ihr verunstaltet zu werden, ist wie ein Muskel. Hören wir auf, ihn zu beanspruchen, erschlafft er. Es geht darum, die Komfortzone zu verlassen, denn nur dahinter, im Discomfort, finden Erneuerung und Innovation statt. Nur so werden wir eine Leistungskultur etablieren und – im Beruf wie auch in unserem privaten Umfeld – Erfolg und Zufriedenheit erleben.

Ihr

Matthias Kolbusa


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