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28. September 2023

Bild: AdobeStock oneinchpunch

Manager, steckt Euch ins Tütü!

„Wo geht’s denn hin, Chef, um diese Zeit?“ „Zum Ballett!“ „Am Nachmittag und mit einer Sporttasche? ‚Nussknacker‘ oder ‚Schwanensee‘?“ „Weder noch. Ich schaue mir kein Ballettstück an, sondern ich tanze selbst!“

Eine alte Regel der Komplexitätstheorie besagt, dass man Vielheit mit Vielheit bekämpfen soll.

Wenn alles wild durcheinandergeht, funktioniert die vertraute Kausalität in unserem Kopf nicht mehr.

Plötzlich wird aus A nicht mehr das erwartete B und aus diesem erst recht nicht mehr C. Wenn wir stur darauf beharren, ist es, als gingen wir mit einem Messer bewaffnet zu einer Schießerei. Egal wie sehr wir mit der Klinge herumfuchteln – die Pistoleros lachen sich schlapp über uns, und am Ende betrachten wir die Radieschen von unten.

Albert Einstein wusste das ebenfalls, als er meinte, dass man Probleme nicht auf derselben Ebene lösen könne, auf der sie entstanden seien. Man muss ihnen vielmehr Lösungen auf einer neuen Ebene entgegensetzen. Im Management ist das nicht anders.

So komplex, wie die Welt mittlerweile ist, und so rasch, wie die permanenten Veränderungen sich heutzutage vollziehen, werden wir mit reiner Optimierung auf Dauer nicht bestehen können.

Wenn die Welt Sprünge macht, müssen wir es ihr im Management gleichtun. Wir müssen von einem Erfolgslevel zum anderen springen, auch wenn das gefährlich, unbequem und anstrengend ist. Disruption ist der neue KVP, könnte man im Management-Jargon sagen, in dessen Dunstkreis jedoch meist mehr geredet als getan wird. Die regelmäßigen Leser meines Blogs und die Käufer meines Buchs „Management beyond Ego“ wissen längst, dass der Erfolg eines Managers vom Grad des Discomforts abhängig ist, dem er sich auszusetzen bereit ist.

Discomfort ist mehr, als nur Überstunden zu machen

Für die meisten bedeutet Discomfort, die Zahl der Überstunden zu erhöhen, stetig mehr Gas zu geben und sich selbst und den anderen bis zum Burn-out Druck zu machen. Was immer wir tun, ist im Kern nur mehr vom Gleichen, vom Althergebrachten, das wir mit Gewalt gegen die unnachgiebige Realität durchboxen wollen, um letztlich doch zu scheitern.

In Wahrheit bedeutet maximale Unbequemlichkeit etwas ganz anderes, als sich körperlich und mental stärker zu belasten.

Discomfort bedeutet, konsequent Wege abseits des Üblichen zu suchen und zu gehen, und diese Wege beginnen im Kopf. Wir müssen uns von den alten Blaupausen verabschieden, die uns früher so treu gedient haben.

Doch wie kommen wir dahin, wenn wir unsere alten Muster nicht nur verinnerlicht haben, sondern regelrecht in sie einbetoniert sind?

Ich kenne so einige Manager, die sich mit großem Energieeinsatz aufgemacht haben, ihre althergebrachten Denk- und Verhaltensmuster zu überwinden, und dabei gescheitert sind.

Etwas tun, das wir nie vorher getan haben

Meine Empfehlung lautet, mindestens einmal im Jahr etwas zu tun, das wir noch nie zuvor gemacht haben – etwas, das wirkliche Überwindung kostet, für das wir Mut brauchen und das uns neue Horizonte erschließt.

„Super, lasst uns ein Manager-Rafting aus dem Katalog der Coachingfirma XY machen, die so tolle Teaming-Events im Angebot hat“, wird so mancher Leser nun denken. In Wahrheit ist das jedoch nichts anderes als eine Mogelpackung, wenn das angeblich reißende Gewässer gerade einmal so gefährlich ist, dass man maximal ein Glas Wasser schluckt und sich eine kleine Schramme holt, bevor man aus dem gar nicht so wild tosenden Nass gezogen wird.


Bildquelle: AdobeStock Elna

Ich selbst mag ein wirklich hartes Training, bei dem ich tatsächlich über meine Grenzen gehen muss.

Nach einer Woche bei den Navy Seals mit ihrem unnachgiebigen Drill weiß ich, dass ich viel mehr schaffen kann, als ich bisher glaubte, wenn ich dem ersten Impuls widerstehe, der vor mir liegenden Herausforderung auszuweichen.

Doch nicht nur das. Auch ich lasse mich von Zeit zu Zeit coachen, und dazu gehört regelmäßig, eine Sache zu tun, die ich niemals vorher getan habe und in der ich ein totaler Newbie bin. Eine Ballettstunde nehmen zum Beispiel – aber wenn, dann das volle Programm: in knallengen Leggins, im Ballerina-Tutu und auf Zehenspitzen an der Stange.

Wenn Sie mir das nicht glauben möchten, kann ich Ihnen das zwar nicht verdenken, aber dennoch entspricht es der Wahrheit. Beim Ballett ist das Ungemütliche nicht eine Gefahr für Leib und Leben, sondern das Gefühl, sich lächerlich zu machen und sich ebenso zu fühlen, da man sich auf ein Gebiet begibt, von dem man keinen blassen Schimmer hat und zu dem einem jegliches Talent zu fehlen scheint. Ich halte dieses Gefühl der Fehlbarkeit für sehr reinigend. Es erdet enorm und macht der Arroganz den Garaus, aufgrund derer wir im Business manchmal meinen, nichts mehr dazulernen zu müssen.

Was tun Sie, um fit für den Discomfort zu werden?

Und das Beste: Wenn wir, was immer wir auch tun, die Scham, die Angst oder die Anstrengung langsam hinter uns lassen, die uns zu peinigen scheinen, beginnen wir plötzlich, kleine Fortschritte zu machen.

Wir erfahren, dass wir zwar niemals alles wissen und alles können werden, dass es aber Wege gibt, auf denen neue und spannende Abenteuer auf uns warten, die wir mit Mut und Beharrlichkeit bestehen können.

Diese Erkenntnis wirkt gleichermaßen im Privat- wie im Berufsleben. Und wenn uns ein Ziel danach leicht erreichbar scheint, wissen wir, dass wir noch locker ein paar Schippen drauflegen können, um noch mehr zu schaffen.

Wenn Sie an dieser Stelle weitere Tipps erwarten, was man alles tun kann, um sich abseits des Üblichen fit für den Discomfort zu machen, enttäusche ich Sie gern. Denn Ihre erste Übung besteht darin, selbst etwas zu finden, an das Sie niemals vorher gedacht haben, und sich anschließend zu trauen, es tatsächlich zu tun.

Ihr
Matthias Kolbusa

 


 


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