12. Oktober 2023
Die Merkmale erfolgreichen Managens sind, gemeinsam Ziele zu erreichen und aus dem Stolz darauf wieder Energie und Lust für die nächste Etappe zu schöpfen. Damit das gelingt, braucht es Klarheit in der Strategie und bezüglich der Ziele. Außerdem sollte man sich über das Vorgehen bei der Umsetzung einig sein. Klingt nachvollziehbar. Aber stimmt das auch? Existiert dieser Zusammenhang zwischen Klarheit und Erfolg möglicherweise gar nicht?
Mal erlebe ich ein Unternehmen aus der Automobilindustrie, das ohne ausformulierte Strategie und klare Planung wunderbar performt – Spitzenwachstum und hohe Rentabilität – und beileibe kein kleiner Laden ist. Und das alles ohne große Reibereien mit einem CEO, der bei seinen Managern eine echte Gefolgschaft spürt, während die Executives das Gefühl haben, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Auch wenn es durch die mangelnde Abstimmung immer wieder Missverständnisse und Überschneidungen gibt und die Produktivität also durchaus zu steigern wäre: Sowohl das Topmanagement als auch das operative Management haben Spaß und Freude an dem, was sie machen. Wer einem Mitarbeiter dieses Unternehmens begegnet, spürt eine ungeheure Energie und die echte Überzeugung, das Richtige zu tun und Teil eines tollen Unternehmens zu sein.
Ein anderes Mal treffe ich auf den verzweifelten Vorstand eines Versicherungsunternehmens, bei dem alles perfekt zu sein scheint: Strategie, Planung und Ziele, alles erste Liga. Selten habe ich so viel Klarheit im Vorgehen gesehen – zumindest auf dem Papier. Als ich ihn frage, wie ich ihm überhaupt helfen könne, bricht es aus ihm heraus:
„Wir kommen nicht wirklich voran!“ Die Mitarbeiter, so sein Eindruck, kümmern sich zwar brav um ihre Bereiche und Aufgaben, doch obwohl sie die Strategie und das weitere Vorgehen miterarbeitet haben, wird nichts daraus. Es ist, als seien sie unfähig, das Neue neben dem Tagesgeschäft zu erledigen. Meine Beobachtung nach einigen Sitzungen: Weder die Chefs noch die Mitarbeiter brennen für das gemeinsame Ziel, und von einer Gefolgschaft für den Vorstand ist keine Spur auszumachen.
Bildquelle: AdobeStock MNStudio
Beide Unternehmen sind idealtypische Beispiele: Das Versicherungsunternehmen ist eine „Technokratie“, und der Modus des Automobilzulieferers ist mit dem Begriff „Erfolgschaos“ treffend beschrieben. Obwohl beide Unternehmen ein Defizit haben, ist es viel einfacher, den Automobilzulieferer nach vorne zu bringen. Es braucht nur einige methodische Kniffe, um aus einem solch guten Unternehmen einen Spitzenperformer zu machen. Bei dem Versicherer hingegen ist der Prozess zäh, ja möglicherweise ohne jede Chance auf Erfolg.
Das Ziel nicht nur dieser beiden, sondern aller Unternehmen lautet: Managementmomentum erzeugen – einen Zustand, bei dem die besten Leute mit enormer Energie die besten Dinge zum besten Zeitpunkt tun.
Bei dem Automobilunternehmen ist der Spirit schon da. Es kostet zwar etwas Mühe, die nötige Struktur für das Momentum und noch mehr Wachstum und EBIT zu verankern, doch ist es keine unmögliche Aufgabe. Anders bei dem Versicherer: So bemerkenswert durchdacht seine Ziele und Planungen auch sein mögen, die Klarheit bezüglich dieser Managementaufgaben garantiert weder Begeisterung noch Antrieb. Zahlreiche Erfahrungen lehren mich, dass es diese Kausalbeziehung (leider) nicht gibt.
Ihr
Matthias Kolbusa
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