Navigation öffnen

Leader haben keine Freunde

24. Januar 2024

LEADER HABEN KEINE FREUNDE. DISTANZ ALS FÜHRUNGSSTÄRKE

Nur zögerlich rückt der Lagermitarbeiter mit der Sprache heraus:

„Wir konnten nicht schneller liefern. Zumindest war die Zusammenstellung nicht da, wo sie laut System sein sollte. Aber das war ja nicht das erste Mal. Unser Chef muss oft früher weg, und dann macht ohnehin jeder das, was er will.“

Der Geschäftsführer ist in der Zwickmühle. Er geht gerne mit dem Lagerleiter zusammen ins Fußballstadion. Sie besuchen die Philharmonie gemeinsam mit ihren Frauen und machen zusammen Städtetrips. Dummerweise hört er das jetzt Vorgebrachte nicht zum ersten Mal und hat seinen Freund bisher stets schonend behandelt. Jetzt aber droht der Kunde mit einer Vertragsstrafe, und die Lage wird brenzlig. Nicht zuletzt haben die Mitarbeiter auch schon mitgekriegt, dass ihr Leitwolf Welpenschutz hat, und nehmen ihn nicht mehr ernst.

Viele Führungskräfte sorgen aus reinem Harmoniebedürfnis weder für Klarheit in den Erwartungen noch für eine Kultur, in der man sich im Sinne der Sache auch einmal offen kritisiert und gegenseitig aufrüttelt, wenn etwas den Bach hinunterzugehen droht. Einem Mitarbeiter, der einem ans Herz gewachsen ist, die Position wegnehmen, für die er nicht taugt? Undenkbar!

Leader haben keine Freunde

Bildquelle: StockAdobe Charlie's

Das alles ist menschlich verständlich, aber leider grundverkehrt. Streng genommen üben solche Manager Verrat am Unternehmen, das sie für Leistung und nicht fürs Kuscheln bezahlt. Die ehrlichste Harmonie entsteht dadurch, gemeinsam alles für den Erfolg zu geben und die Früchte der Anstrengung zu genießen. Das darf dann auch ausgiebig gefeiert werden. Was gibt es Großartigeres als das Gefühl, zusammen eine Delle ins Universum gehauen zu haben, auch wenn es unterwegs wehgetan hat?

Managerklartext heißt, Erwartungen deutlich zu formulieren und mangelnde Erfüllung offen und sachgerecht zu kritisieren – egal wer einem gegenübersitzt. Ein Chef, der sich permanent als Therapeut gebärdet und für alles Verständnis hat, gefährdet sein Unternehmen. Mitarbeiter sind Menschen mit Würde, zu deren Wertschätzung auch Offenheit und Ehrlichkeit gehören, wenn klare Ansagen nötig werden.

Persönlich gehe ich so weit zu sagen: Auch wenn Sie sich an Gesetze und Regeln halten, dürfen Sie in Unternehmen keine Freunde haben, weil Sie im Zweifelsfall immer die Sache Ihrer Organisation höher bewerten müssen als Ihre eigenen Bedürfnisse. Wie reagieren Sie zum Beispiel, wenn Ihr Freund seinen Bereich nicht richtig führt und wenn Ihr CEO Sie fragt, ob er nicht besser abgelöst werden sollte? Antworten Sie: „Ja, es braucht eine Neubesetzung, und ich weiß auch schon, wer die Rolle besser ausfüllt“? Oder beschönigen Sie die Situation, um Ihren Freund zu schützen? Es ehrt Sie, wenn Sie auf dem Zweiten bestehen. Dann müssen Sie aber ganz konsequent sein und das Unternehmen verlassen.

Wenn Sie sich jenseits der Freundschaft etwas stärker Verbindendes als Kollegialität wünschen, ist Kameradschaft ein toller Modus für ein produktives Verhältnis untereinander. Sie bedeutet, sich für ein gemeinsames Ziel zu engagieren und innerhalb dieses Rahmens füreinander einzustehen, und das selbst in konfliktbehafteten Beziehungen und bei emotionaler Distanz.

Sie müssen Ihre Mitarbeiter nicht mögen, um zusammen effektiv und effizient zu sein. Erlaubt ist es natürlich, solange Sie die Sympathie nicht über die Sache stellen, für die Sie verantwortlich sind.

Ihr
Matthias Kolbusa

 


Datenschutz-Einstellungen

*notwendige Angaben

Land anpassen