Navigation öffnen

7. Dezember 2021

Rückwärts arbeiten – Ergebnisse vorgeben, statt Aufgaben zu verteilen

„Chef, hier ist Ihre Auswertung. Diesmal habe ich wirklich versucht, die Zahlen in den Griff zu bekommen.“ „Da bin ich aber gespannt. Lassen Sie mal sehen. War ja offensichtlich eine ziemlich schwere Geburt.“ Der Mitarbeiter lächelt gequält, der Chef greift nach den Unterlagen und runzelt nach wenigen Sekunden entgeistert die Stirn. „Das ist jetzt der dritte Schuss neben das Tor. Wie viel Zielwasser brauchen Sie denn noch? Sie tun sich doch sonst nicht so schwer?“

Früher habe ich das oft erlebt, bis mir irgendwann ein Licht aufgegangen ist. Der Chef ist fachlich spitze, die Mitarbeiter sind clever und motiviert, und die nötige Erklärung liefert eine saubere Arbeitsbeschreibung. Trotzdem ist enttäuschend, was an Resultaten kommt. Und so geht der Chef an die Decke, ohne zu bemerken, dass die Häufung der Fälle verdächtig ist. Ein beliebter Ausweg, besonders wenn das Missverstehen virusartig grassiert:

Statt über nur einen Mitarbeiter zu schimpfen, den Stab über alle brechen – und dabei völlig übersehen, welchen Anteil man selbst an der Verwirrung hat. Unterm Strich nämlich ist niemand alleine schuld, aber alle sind in der Lösungsverantwortung.

Mit zunehmender Berufserfahrung erweitern sich das Wissen und der Überblick der Mitarbeiter. Gute Mitarbeiter liefern dann auf Zuruf blitzsaubere Ergebnisse. Gerade jüngere aber tappen gerne in eine allzu verlockende Falle: Sie machen zwar die Ohren auf, hören jedoch nicht richtig zu. Wie aus der Pistole geschossen kommt ein „Alles klar, Chef, kein Problem!“ über ihre Lippen. Dabei haben sie häufig nur die erste Hälfte des Satzes verstanden und die zweite lediglich gehört. Schließlich will man sich keine Blöße geben und als schwer von Begriff gelten. Im Idealfall notiert man etwas – doch meist spricht der Chef schneller, als man schreiben kann. Und ihm in die Augen sehen möchte man ja schließlich auch noch.

Tags drauf sitzt der Mitarbeiter an seiner Aufgabe – mit einer unvollständigen Gesprächsnotiz, einer löchrigen Erinnerung an das Gespräch und der Verantwortung im Nacken. „Tick, tack, tick, tack“, die Deadline rückt unbarmherzig näher. Schließlich wird zusammengezimmert, was eigentlich in Stein gemeißelt werden müsste. Natürlich ist das peinlich und der Auftraggeber des Jobs enttäuscht. Aber weil er sich in Geduld übt, erklärt er alles noch einmal – diesmal noch ausführlicher, noch anschaulicher und noch eindringlicher. Nichtsdestotrotz geht das Ganze auch diesmal aus wie das Hornberger Schießen.

Langsam pressiert es dem Chef: Nur noch vier Tage bis zur Aufsichtsratssitzung, und die Präsentation befindet sich noch immer im Larvenstadium. Soll er das Ganze nicht doch besser selber machen? Davon ist dringend abzuraten. Erstens ist das keine Führungsaufgabe, andernfalls wäre sie nicht delegiert worden. Und zweitens lernt der Mitarbeiter so nur eines: „Wenn ich ‚Keine Ahnung‘ rückmelde, macht der Chef den Job nach sechs selbst, und ich habe pünktlich Feierabend.“ Das ist nicht einmal böse von ihm gemeint, sondern eine Art Reflex, der mit der Zeit die Führungskraft überlastet und die Mitarbeiter unterfordert. Letztere machen dann nur noch das, was ihnen in den Schoß fällt – mit immerhin 95 Erfolgsquote statt nur 70 Prozent wie vorher.

Sie fragen sich, wie es besser geht? Stellen Sie sich vor, Sie benötigen eine Auswertung diverser Produkte, gekreuzt mit den Handelspartnern, um daraus verschiedene Erkenntnisse und eine Strategie ableiten zu können. Jetzt sitzen Sie bereits das dritte Mal beieinander, und Ihr Mitarbeiter hat sich nachweislich viel Mühe gegeben, aber leider das Thema erneut verfehlt. Offensichtlich hat er immer noch nicht richtig verstanden, was Sie von ihm brauchen. Statt bei Ihnen nachzufragen, gibt er sein Bestes, ohne zu wissen, worauf es wirklich ankommt. Es ist leicht nachvollziehbar, dass das nicht klappen kann.

Die Lösung: Sie wissen nicht nur, wie unerfahrene Mitarbeiter arbeiten, sondern auch, wie sie ticken. Also setzen Sie sich zusammen und erklären ihm, was Sie gerne wofür hätten. Das Wofür ist dabei ebenso wichtig wie das Was.

Denn nur wenn der Sinn dahinter klar ist, weiß Ihr Gegenüber, dass Sie eine ABC-Analyse machen wollen, für die Ihre Daten besonders strukturiert sein müssen.

Im Anschluss an Ihre Erläuterung drücken Sie Ihrem Mitarbeiter einen Filzstift in die Hand und bitten ihn, am Flipchart kurz zu skizzieren, wie sein neuer Bericht in etwa aussehen wird.

Sie erarbeiten sozusagen das Ergebnis, bevor das Ergebnis da ist – den sogenannten Ergebnistyp.


Rückwärts arbeiten

Bildquelle: AdobeStock khmel

Diskutieren Sie diesen Ergebnistyp mit ihm aus. Anschließend hängt sich der Mitarbeiter das Blatt entweder neben seinem Schreibtisch an die Wand, oder macht ein Foto davon, sodass er das Erarbeitete stets zur Hand hat. In gewisser Weise arbeitet er sich also rückwärts vom Ergebnis nach vorne und trifft so genau das, was Sie benötigen.

Und das Beste daran? Das Ganze funktioniert auch im Team hervorragend, besonders wenn es in einer Meeting-Stampede mal wieder wild durcheinandergeht. Sobald einer das Wort erhebt, drängen Sie auf den Ergebnistyp. Trifft seine Kugel das Ziel, oder ist sie nur ein weiterer Querschläger unter vielen?

Eines habe ich in meinen Jahren als Unternehmer, Manager und Berater – mitunter schmerzhaft – gelernt: Alle Resultate sind Chefsache, auch diejenigen, die die Mitarbeiter erbringen.

Wenn der Weg zum Ergebnis nicht das Ziel sein kann, muss das Ziel eben der Weg zum Ergebnis werden.

Ihr

Matthias Kolbusa



Datenschutz-Einstellungen

*notwendige Angaben

Land anpassen