26. Juli 2023
Wurde der „Dämon“ ursprünglich als „warnende oder mahnende Stimme des Gewissens“ begriffen, wandelte sich seine Bedeutung durch das Christentum zunehmend ins Negative, sodass unter einem Dämon heute ein Wesen verstanden wird, das Menschen erschreckt, sie bedroht oder ihnen gar Schaden zufügt. Wikipedia meint, Feen seien männliche oder weibliche geisterhafte Wesen, die mit höheren Kräften ausgestattet und zumeist heiterer Natur und glückbringend seien. Nun bin ich weder Mystiker noch Esoteriker, doch dieser Tage drängte sich mir der Vergleich des einen oder anderen Managers mit einem Dämon geradezu auf. Diese Sichtweise einmal eingenommen, meinte ich auch die eine oder andere Fee zu sehen.
Welcher Art sind die Dämonen und Feen im Management? Wo kommen sie her? Wie ist mit ihnen umzugehen? Kann man sie wieder loswerden, oder wird man unweigerlich in ihren Bann gezogen?
Vorweg vielleicht noch Folgendes: Unternehmen sind ein wenig wie Menschen. Alle haben eine Lunge, ein Herz und Nieren und funktionieren auf gewisse Weise gleich. Und doch ist keiner von uns wie der andere, und dasselbe gilt auch für die Unternehmen. Selbst Zwillinge mögen in ihrem Äußeren identisch sein, doch was ihr Verhalten, ihren Charakter betrifft, sind sie hochindividuell. So ist es auch mit Unternehmen: Alle verfügen sie über gleiche Elemente und Mechanismen, nach denen sie funktionieren, und doch ist keines genauso wie ein anderes.
Selbst wenn sie sich im selben Kulturkreis oder derselben Region befinden und dort sogar in derselben Branche tätig sind, weisen sie bisweilen so gewaltige Unterschiede auf, dass ich mich in meiner Strategie- und Transformationsarbeit trotz meiner Erfahrung aus Hunderten ähnlicher Projekte immer wieder mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert sehe. Es sind Herausforderungen im menschlichen Miteinander, die fachliche beziehungsweise sachliche Komplexität ist zumeist nicht das Problem. Und so stand ich vor wenigen Tagen vor einem „Dämon“, der meinen Blick auch für „Feen“ schärfte.
Die Verteilung der Unternehmen oder auch einzelner Bereiche eines Unternehmens (es ist immer wieder erstaunlich, welche kulturellen Gräben sich innerhalb eines einzelnen Unternehmens bisweilen auftun!) auf einer Gaußschen Glockenkurve sieht folgendermaßen aus: von ganz links, stark feengeprägt („Himmel“), bis ganz nach rechts, stark dämonengeprägt („Hölle“). In der Mitte befinden wir uns – um in dieser Bildersprache zu bleiben – „auf der Erde“, dort, wo sich die Mehrheit findet.
Hier, „auf der Erde“, geht es meist entspannt zu. Man arbeitet vor sich hin, mal ist mehr zu tun, mal weniger. Und neben den üblichen kleineren Streitereien kommt man sich nicht wirklich ins Gehege. Das Engagement und die Leistung sind in Ordnung, die Führung ist durchaus professionell.
Dann gibt es jedoch die Extreme: „Himmel“ und „Hölle“. Beide sind – einerseits Gott sei Dank, andererseits bedauerlicherweise – geprägt von einigen wenigen Akteuren. Ob nun auf das ganze Unternehmen, einen Bereich oder eine Abteilung bezogen.
Dabei ist es in den meisten Fällen so, dass es den wenigen, die die Kultur bestimmen, selten bewusst ist, noch merken die anderen, wie stark sie von diesen wenigen beeinflusst, mitgezogen, ja geprägt und in deren Bann geschlagen werden. Und das im Positiven wie im Negativen.
Bildquelle: AdobeStock Rafael
Ja, es gibt sie wirklich: Feen im Management. Ich habe sie gesehen. Sie erlebt. Für sie und mit ihnen gearbeitet. Selbst nach sehr anstrengenden Tagen verließ ich die Unternehmen, in denen Feen wirken, freudig beseelt und fuhr voller Zufriedenheit nach Hause. Schwierigkeiten gab es dort genauso wie andernorts, aber durch ihre einzigartige Gabe ist es tatsächlich eine große Freude, mit den Feen Probleme zu diskutieren und gemeinsam mit ihnen in den Griff zu bekommen. Man findet diese ganz besonderen Menschen auf allen Ebenen des Managements, und sie prägen die Atmosphäre manchmal auf geradezu wundersame Art und Weise. Sie wollen, dass die Dinge, die angegangen werden, zu einem guten Ende gebracht werden, sie möchten erfolgreich sein und genießen es vor allem, wenn andere erfolgreich sind – nicht nur sie selbst. Ihr ganzes Denken und Tun ist darauf ausgerichtet. Stets haben sie das Beste für andere im Sinn, und Niedertracht ist etwas ihnen vollkommen Fremdes.
Der Leiter der Unternehmensentwicklung, die Vertreter der in die Strategieentwicklung eingebundenen Bereiche und meine Wenigkeit sitzen beisammen. Eine Menge Aufgaben, die zusätzlich zum Tagesgeschäft zu erledigen sind, steht bevor, und keiner der Anwesenden verspürt wirklich Lust dazu, sich damit auch noch zu beschäftigen. Man ist bereits mit den operativen Herausforderungen ausgelastet.
Als verfüge er über einen Zauberstab, gelingt es dem Leiter der Unternehmensentwicklung, die Beteiligten dazu zu bewegen, sich voller Interesse für die anstehenden Aufgaben zu engagieren. Die anwesenden Manager merken, dass es der „Fee“ am Herzen liegt, sie erfolgreich zu machen, zusammen etwas zu schaffen. Seine Vorgehensweise ist bestimmt, sicher und klar – zugleich aber von großer Güte geprägt. Die „Energie“ im Raum wandelt sich, es geht nun positiv zur Sache.
Ein anderes Beispiel: Der Kleinkrieg, wie er in jeder Firma zwischen den verschiedenen Bereichen stattfindet, das fehlende Miteinander zwischen den Abteilungen und der neu geschaffenen Digitalisierungstruppe und ein schlichter, um nicht zu sagen schlechter Umgangston kennzeichnen die versammelte Mannschaft. Dem CFO gelingt es, ohne dass er es bewusst darauf abgesehen hätte, die Stimmung ins Positive zu wenden, indem er mit den Anwesenden spricht, sie verstehen will und ihnen aufrichtiges Verständnis signalisiert. Ohne hier etwas gezielt zu adressieren, gelingt es dem Mann, das Miteinander in Bezug auf die Art und Weise und den Inhalt zu drehen. Es ist wunderbar, so etwas miterleben zu dürfen!
So prägen diese wenigen Feen das Miteinander, ziehen Menschen in ihren Bann und beeinflussen stark das, was wir Kultur nennen. Glücklich schätzen kann sich, wer ein paar von diesen Feen um sich hat! Denn die Welt kann auch ganz anders aussehen.
Es gibt regelrechte Feuerdämonen, die alles, womit sie in Kontakt kommen, vernichten. Leider trifft man auf allen Ebenen auf sie. So erlebte ich vor nicht allzu langer Zeit in einer der Kaffeeküchen dieser Welt, wie ein Manager seine Kollegen und Mitarbeiter dazu anstachelte, „denen“ vom Controlling endlich mal zu zeigen, wer am längeren Hebel sitzt. Ich konnte nicht anders, als dieses traurige Schauspiel mitzuverfolgen: Erst zögerlich, dann jedoch mehr und mehr gerieten die Anwesenden in den Bann dieses Dämons. Regelrecht erschreckend war das Ergebnis: Es wurde festgehalten, welche Infos ab sofort auf keinen Fall weitergeleitet werden sollten und wo und wann man sich „doof“ stellen würde.
Ein weiteres anschauliches Beispiel für die negative Macht der Managerdämonen: Der Topmanager eines Industrieunternehmens ruft seinen Technologiechef an und löchert ihn mit Fragen, was denn nun bei der besuchten Messe an neuen Ideen vorgestellt worden sei. Er will nichts davon hören, was die Ideen seines Technologen angeht. Auf den ersten flüchtigen Blick scheint es so, als wolle er überprüfen, ob der Technologe auch die Ideen hatte, die bei der Messe Thema waren. Doch in Wirklichkeit geht es ihm nicht einmal darum!
Vielmehr möchte er dem Technologiechef vor Augen führen, wie minderbegabt dieser ist. In höfliche Floskeln verpackt wird ein unterschwelliger Vorwurf nach dem nächsten ausgesprochen: „Ach so, das ist Ihnen gar nicht aufgefallen?“ Nach einigen Erklärungs- und Rechtfertigungsversuchen fühlt sich der Technologe vom Managerdämon geradezu ausgesaugt und vollkommen erledigt. Im SalesMeeting will dieser Topmanager auch nichts weiter, als alle SalesManager spüren zu lassen, was sie alles nicht wissen und was sie alles nicht geschafft haben. Die tatsächlich erreichten Erfolge interessieren ihn nicht im Mindesten.
Wo auch immer sie auftauchen: Dämonen sorgen für miese Stimmung. Das Schlimme ist, dass sie andere schnell in ihren Bann ziehen und sich dieses Verhalten fortsetzt. Es gilt, sich bewusst dagegen zu positionieren und Feen heranzuziehen, damit die „dunkle Seite der Macht“ nicht überhandnimmt.
Denn ein „Leave it“ ist aufgrund privater Zwänge häufig keine realistische Option, ein „Take it“ führt früher oder später zur Assimilation oder zumindest zu Gleichgültigkeit. Also bleibt nur „Change it“: mit Haltung und Überzeugung den Mut haben, das Richtige zu sagen und zu tun.
Ihr
Matthias Kolbusa
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