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Ein Pferd soll

11. Mai 2022

Ein Pferd soll so hoch springen, wie es kann!

Sicher kennen Sie den alten Spruch: „Ein Pferd springt nur so hoch, wie es muss.“ Und vermutlich haben Sie im privaten und beruflichen Umfeld bereits erlebt, dass dies für viele Menschen einer goldenen Regel gleichkommt. Auf den ersten Blick mag das untadelig erscheinen, denn was kann man mehr verlangen als die akkurate Erledigung der gestellten Aufgaben? Dagegen wäre wohl auch wenig einzuwenden, wenn sicher wäre, dass Anspruch und Anstrengung sich die Waage halten. Gelänge es, die Anforderungen eines Jobs so zu definieren, dass sie mit exakt 100 Prozent Leistung erfüllt werden können, sollte doch alles im Lot sein – oder etwa nicht?

Was sind 100 Prozent?

Ganz so einfach ist es nicht. Zunächst einmal fragt sich, was diese 100 Prozent eigentlich sind. Werden sie durch objektive körperliche und geistige Grenzen definiert (die vermutlich keiner kennt)? Oder ist es eher das, was sich Führungskräfte und Mitarbeitende – oft auf sehr unterschiedliche Weise – vorstellen? Vermutlich sind wir uns einig, dass Ersteres zwar theoretisch korrekt, aber nicht relevant ist, weil wir keinen Zugriff darauf haben. Umgehen können wir nur mit dem, was wir bei anderen, aber auch uns selbst erleben.

Dabei lehrt die Praxis, dass es bei 100 deklarierten Prozent an Leistung und Ergebnis in der Regel noch viel Luft nach oben gibt.

Was man noch nicht kann, kann man lernen. Dass man etwas nicht schafft, kann eine Frage mangelnder Motivation, aber auch ungenügender Unterstützung von jemandem sein, der glaubt, bereits allen erdenklichen Support gegeben zu haben. Auf diese Weise wird das Zufriedensein mit dem Durchschnitt zu einem Syndrom, das leicht eine gesamte Organisation befallen kann. Alle meinen, am Limit zu sein, und bestärken sich gegenseitig so regelmäßig darin, dass man stolz auf Leistungen ist, die man in Wirklichkeit deutlich überbieten könnte.

Die Gretchenfrage, wenn es langsam kritisch wird am Markt, lautet dann stets: „Wie kommen wir aus der Misere heraus?“ Und schon werden Rufe laut: „Wir müssen agil werden!“ Als würde Agilität ausbügeln, was ein kultivierter Organisationsschlendrian verursacht hat. Vielmehr ist das Gegenteil wahr: Je mehr Selbstorganisation und -verantwortung eine neue Methode verlangt, desto stärker wirken sich die alten Defizite aus.

Was zu bequem ist, taugt zu wenig

Natürlich kann man einiges tun, um zu einer schnelleren und tatkräftigeren Organisation zu werden. Ich schlage im ersten Schritt einen trivial klingenden Ansatz vor, sozusagen als Gretchenantwort auf die Gretchenfrage: „Setzt die Ziele herauf, und zwar kräftig!“ Dabei ist mir klar, dass diese Maßnahme zu Gegenwind der Stärke 7 und mehr führt. Aber genau das ist gewünscht, denn eines ist doch klar: Wenn alle im Unternehmen ihr Arbeitslevel angenehm finden und neue Strategien mit Fähnchen wedelnd begrüßt werden, ist der Anspruch, der an sie gestellt wird, zu niedrig. Damit kann eine Organisation zwar immer noch leistungsfähig sein, sie wird jedoch stets unter ihren Möglichkeiten bleiben.

„Und was machen wir, wenn die Mitarbeitenden ächzen, das sei beim besten Willen zu viel verlangt?“, bekommt man dann gern von Managern zu hören, die auch für sich selbst härtere Zeiten aufziehen sehen (denn wenn andere mehr leisten sollen, müssen sie dafür mehr investieren). Meine Antwort: „Dann setzen Sie noch einen drauf, aber verändern Sie Ihre Kultur! Michelangelo soll gesagt haben:

‚Für die meisten von uns liegt die größte Gefahr nicht darin, hoch zu zielen und zu scheitern, sondern darin, unser Ziel zu niedrig zu hängen und es zu erreichen.‘

Und damit hat er vollkommen recht. Denn das Problem von zu niedrig angesetzten Zielen ist, dass sie zwar eine geringere Performance verhindern, aber zugleich dafür sorgen, dass sie trotz bester Chancen nicht übertroffen werden.“

Management ist wie Sport

Und wer sagt denn, dass 100 Prozent immer das Maß aller Dinge sind? Auch im Management gibt es Phasen des Sprints und des Marathons. Wenn ein 400-Meter-Läufer auf der Bahn ist, rennt er sich die Lunge aus dem Leib, obwohl er weiß, dass er das keine zweite Runde aushält: Warum tut er das? Ganz einfach: weil genau das jetzt dran ist und weil am Ende der Strecke Medaillen und Stolz auf ihn warten. Genau darum geht es auch in der Organisation: An die Stelle von satter Zufriedenheit über die üblichen Ergebnisse muss der Stolz auf eine herausragende Performance treten.

Bildquelle: AdobeStock Naturestock

Zu diesem Zweck dürfen wir ruhig mehr fordern, als geleistet werden kann, um eine maximale Leistung herauszukitzeln. Aber nicht nur dafür: In Zeiten, in denen wir Disruption und strategische Exzellenz brauchen, weil die Rahmenbedingungen dies fordern, kommen wir mit den alten Denkweisen nicht weiter. Doch neu denken müssen wir nicht, wenn wir die nächsten Ziele mithilfe simpler Optimierung erreichen können. Erst wenn unsere Zielsetzung und damit die Zukunft, die wir anstreben, weit über das Übliche hinausgeht, sind wir gezwungen zu kreieren, statt zu optimieren, und erst dann sind wir bereit, den Discomfort zu akzeptieren, der mit alldem verbunden ist.

Auf die Kultur kommt es an

Wir sehen also: Das Heraufsetzen von Zielen ist kein Selbstzweck und bringt zudem rein gar nichts, wenn ihr Nichterreichen negativ sanktioniert wird. Was es stattdessen braucht, ist ein gesunder Wille zur Imperfektion, der maximalen Einsatz erzeugt – anstelle einer Komfortkultur, die nur dem Anschein von Exzellenz huldigt. Ein außerordentlich hohes Ziel zu verpassen ist nämlich vollkommen okay, wenn wir alles dafür gegeben haben. Schließlich sind 70 von 200 geforderten Prozent deutlich mehr als 100 von 100.

Jürgen Klopp, heute Teammanager des FC Liverpool und zuvor Meistertrainer von Borussia Dortmund, hat seine ganz eigene Meinung zu dem Spruch mit den Pferden:

„Den (Spruch) hasse ich wie nichts anderes. Ein Pferd hat verdammt noch mal so hoch zu springen, wie es kann.“

Dem habe ich nicht viel hinzuzufügen. Setzen wir also die Ziele herauf – und wir werden uns wundern, was alles geht.

Ihr
Matthias Kolbusa


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