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Was soll an Kritik

6. Juni 2023

WAS SOLL AN KRITIK NICHT PERSÖNLICH SEIN?

„Das ist nicht persönlich gemeint“, schiebt der Absender einer zuvor geäußerten Kritik seiner Aussage hinterher. Wir leben im Management davon, dass Kritik geäußert wird. Manager sehnen sie geradezu herbei: die Kritikkultur oder die Streitkultur, an der es vielerorts mangelt. Doch die wenigsten Organisationen verfügen über eine derartige Kultur. Warum ist dem so?

Ganz einfach: Keine Kritik, die dieses Wortes würdig ist, ist unpersönlich.

Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Jede Kritik trifft den Kritisierten, ob er nun von sich behauptet, ein dickes Fell zu haben, oder nicht. Und doch ist sie notwendig, denn nur aus Kritik entsteht Verbesserung, öffnen sich neue Horizonte, ergeben sich neue Einsichten. Doch da jede Kritik entweder Scham- oder Schuldgefühle erzeugt – eine von zwei Primäremotionen, die jedem von uns innewohnen –, ist es in sogenannten „Kuschelkulturen“ geradezu verpönt, sich gegenseitig zu kritisieren: Man möchte dem anderen kein Leid zufügen, man möchte verhindern, dass er diese beiden Gefühle der dunklen Seite der Macht spürt.

KRITIK BRAUCHT MUT

Ein derartiges Verhalten fordert einen hohen Preis: Der Großteil der Managementteams, in denen ich mich bewege, verfügt nicht über die erforderliche Kritikfähigkeit und zeichnet sich folglich in seinen Leistungen lediglich durch Mittelmaß aus. Zu groß ist die Scheu, zu falsch verstanden der Wert der Kameradschaft. Es braucht Mut, das zu äußern, was man sieht und was man für verbesserungswürdig hält.


Was soll an Kritik

Bildquelle: AdobeStock Nuthawut

Deswegen fällt es einem per se nicht leicht, Kritik zu üben. Dies insbesondere in einem Umfeld, das darin schlicht nicht geübt ist. Unterm Strich wundert das nicht, denn wenn mal jemand über seinen Schatten springt, muss er damit rechnen, dass er in der Kantine gemieden und in den Gesprächen auf den Fluren nach dem Meeting über ihn hergezogen wird. Was ihm überhaupt einfiele, seine Nase in Angelegenheiten zu stecken, die ihn rein gar nichts angehen!

NOCH PARADOXER: DAS SCHAUSPIEL ZWISCHEN VORGESETZTEN UND MITARBEITERN

Was wird nicht von oben gelobt und immer wieder betont, durchaus auch Kritik hören zu wollen und für alles offen zu sein, um dann im echten Leben, wenn tatsächlich einmal bei einem wichtigen Thema Worte laut werden, die der eigenen Vorstellung nicht entsprechen, diese mit der Hierarchiekarte niederzubügeln. Dabei sind gerade wir diejenigen, die von ihren Mitarbeitern fordern, mehr Kritik zu üben. Es ist eine nicht selten paradoxe Verhaltensweise, die in vielen Unternehmen anzutreffen ist.

Neben dem Mut braucht es die Offenheit, nach der Erkenntnis in den kritischen Äußerungen zu suchen.

Ganz nach dem Prinzip, dass der andere vielleicht doch recht hat. Es reicht also nicht, Kritik zu fordern, vielmehr muss man den Mut des Kritisierenden dann auch mit der gebotenen Offenheit belohnen. Fällt das leicht? Nein, denn die Scham- oder Schuldgefühle, die jede relevante Kritik mit sich bringt, werden einen in diesem Moment beschleichen.

AUF UNSEREN CHARAKTER KOMMT ES AN

Machen wir uns nichts vor! Im Umgang mit Kritik gilt es, unseren Charakter und unsere Beobachtungsschärfe zu schulen. Wenn uns jemand mit den besten Absichten erläutert, dass unser Vorschlag nichts taugt oder unser Vorgehen nicht besonders durchdacht ist, kommt es auf unsere mentale Stärke an. Dann liegt es an uns, diesen kleinen Moment zwischen dem Aufkeimen negativer Gefühle und unserer Reaktion abzupassen und eben nicht in die allzu menschlichen und typischen Muster zu verfallen, nämlich sich dafür zu rechtfertigen, dass man auf diesen Gedanken gekommen ist, den Versuch einer Klarstellung zu unternehmen, warum der Kritisierende nicht recht hat, oder die Schuld bei jemand anderem zu suchen.

In diesem Moment gilt es, den eigenen Scham- oder Schuldgefühlen die Stirn zu bieten, sie willkommen zu heißen, zu lächeln und dem Kritisierenden mit einem interessierten Verstand zu begegnen. Dies ist eine Verhaltensweise, die niemandem von uns in die Wiege gelegt wurde. Es bedarf des Trainings, sogar eines harten Trainings, diesbezüglich einen gewissen Reifegrad zu erlangen. Doch nur wenn wir sowohl den Kritisierenden als auch der aufrichtigen Kritik offen gegenübertreten, können wir dies auch von unseren Mitarbeitern verlangen.

Ihr
Matthias Kolbusa


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